The Stand - Das letzte Gefecht
Vor ein paar Wochen war es endlich soweit. Ich habe mich an Stephen Kings "The Stand - Das letzte Gefecht" gewagt. Ich bin seit vielen, vielen Jahren um dieses Buch herumgeschlichen. Warum das so war, kann ich gar nicht genau sagen, an der Länge des Buches kann es nicht gelegen haben, denn lange Bücher oder Audiobooks sind für mich keine Seltenheit.
Das letzte Mal wagte ich mich Anfang 2020 an diesen Schinken, doch dann kam die Corona-Epidemie und somit war ich raus. Ich wollte zu dieser Zeit kein Buch lesen, dass sich intensiv mit einem tödlichen Grippevirus beschäftigt. Verständlicherweise. Dazu muss man sagen, Stephen King begleitet mich seit meiner Jugend und ich weiß, wie sehr er es schafft, mir unter die Haut zu kriechen. Er hat diese wunderbare Gabe aus etwas Alltäglichem, etwas Wunderbares, Verzaubertes zu machen - fast immer mit einem Hauch Horror, oft mit etwas mehr als nur einem Hauch. Er kitzelt die dunklen Seiten der Möglichkeiten hervor und lässt uns dann allein mit den Ängsten, die in unserem eingebauten Panik-und-Angst-Filtern hängen bleiben. Die Schatten sind bei Stephen King immer dunkler. Also ist die Beschreibung einer Grippe von Stephen King etwas, was man sehr deutlich schmecken kann - und nie mehr vergisst. Oder einem noch mehr Angst macht. Doch nun haben wir den großen Schrecken der Pandemie fast hinter uns gelassen und ich fühlte mich also nach vier Jahren in der Lage, dieses Buch zu lesen. Oder in meinem Fall, es zu hören.
Die Verlagsbeschreibung: In einem entvölkerten Amerika versucht eine Handvoll Überlebende die Zivilisation zu retten. Ihr Gegenspieler ist eine mythische Gestalt, die man den Dunklen Mann nennt, eine Verkörperung des absolut Bösen. In der Wüste Nevada kommt es zum Entscheidungskampf um das Schicksal der Menschheit.
Im Nachhinein hätte ich es ruhig hören/lesen können. "Captain Trips", wie die Supergrippe in dem Buch genannt wird, ist natürlich das auslösende Element. Aber es geht, wie immer bei King, um die menschlichen Schicksale und deren Entwicklungen und nicht um die Grippe. Da ist die ungewollt schwangere 21-jährige Frannie, die sich mit einem weiteren Überlebendem ihrer Stadt, dem 16-jährigen Harold 'The Hawk' Lauder auf die Suche nach weiteren Überlebendem macht. Stu Redman, der sich zum Anführer entwickelt und Larry Underwood, ein Rockmusiker. Der taubstumme Nick und der geistig-zurückgebliebene Tom Cullen um hier nur einige von der guten Seite zu nennen. Tom Cullen ist mein absoluter Lieblingscharakter, "... meine Fresse, M-O-N-D, und das buchstabiert man großartig!" ist einfach ein toller, liebenswerter Typ, der vielschichtiger ist, als man es am Anfang glaubt. Die andere Seite hat natürlich auch interessante Leute und die finde ich deutlich besser gezeichnet. Auch wenn er nur einen kurzen Auftritt hat, finde ich "The Kid" unfassbar unterhaltsam. Ein kleiner Mann (Motto Kleiner-Mann-großes-Auto), der Inbegriff eines Prolls mit Cowboystiefeln, steil gegelter Ducktail-Frisur, "... glaubst du den Heißenscheiß?!" - und er ist wunderbar vulgär, hier läuft King zu seiner Bestform auf. Auch der Mülleimermann "Mülli" ist ein interessanter Charakter, leider völlig fremdgesteuert von seiner eigenen Besessenheit. Insgesamt hat King meiner Meinung nach den exzentrischen Charakteren auf der dunklen Seite mehr Liebe geschenkt. Natürlich ist da noch Randall Flagg, der dunkle Mann. Aber auch ihn finde ich zum Schluss etwas sonderbar machtlos. Zweifelnd. Auch fehlt mir sein wirklicher Beweggrund für sein Handeln.
Was mir gut gefallen hat: die 'Bösen' sind nicht alle richtig böse. Sie haben andere Beweggründe als die Anhänger von Mutter Abigail, aber sind nicht durchweg böse. Auch sie haben ein Verständnis von Gut und Böse und heißen nicht alles gut. King wendet hier kein schwarz-weiß denken an und das ist fantastisch, denn jeder von uns kennt das Gewisper des Engelchens auf der einen Schulter und das Geflüster vom Teufelchen auf der anderen Schulter.
"The Stand" ist das am meisten gefeierteste Buch von King. Doch dieser Meinung kann ich mich nicht anschließen. Die Geschichte ist natürlich spannend und man bleibt dran, weil man wissen möchte wie es weiter geht. Bei über 1700 Seiten oder in dem Fall des Hörbuchs von über 54 Stunden ist das schon eine Meisterleistung. Aber ich finde, die Charaktere sind nicht sind so greifbar, ihre Schicksale nicht so fesselnd, wie in manch anderem Buch von Stephen King. Ich denke da nur an meine Lieblingsbücher von ihm: Es, Love (oder Lisey's Story) und Wahn. Hier nehme ich jeder einzelnen Figur alles ab, sie handeln glaubwürdig, man fiebert und leidet mit ihnen. Bei "The Stand" finde ich die Figuren trotz allem etwas leer. Und das, wo bei so vielen Seiten sicher Platz dafür ist.
Was ich toll finde, sind die theoretischen und spannenden Informationen, die man einfach so mitbekommt. Fragen wie 'Was ist eine Gesellschaft und wie entsteht sie', 'Wie entsteht Zivilisation' und was bedeutet Religion sind tolle Einschübe, die mich nachdenklich zurückgelassen haben.
Natürlich läuft es auf den Kampf zwischen Gut und Böse hinaus. Und der endet etwas anders als man denkt, was ich wiederum sehr gut fand. Stephen King ist der Meister der Erzählungen - nur wünschte ich mir, er würde dem Ende jeden Buches etwas mehr von seiner Kunst geben, etwas mehr Herz schenken. Fazit: Natürlich ist "The Stand - das letzte Gefecht' lesenswert! Es ist ein King! Ja, ich bin ein Fan. Aber er hat großartigere Bücher in meinen Augen geschrieben.
... noch ein Wort zum Hörbuch. David Nathan liest diesen langen Schinken mal wieder traumhaft. Er hat eine Gabe und kann seiner Stimme eine Tiefe verleihen, die die Geschichte trägt und sich voll entfalten lässt, ohne sich selbst in den Vordergrund zu spielen. Wunderbar. Ich bin sehr dankbar, dass Herr Nathan Stammsprecher für die King-Bücher ist. So kann man auch über Schwächen in der Entwicklung der Personen locker hinwegsehen.
- von Stephen King
- Genre: Horrormystery, epische Erzählung, Apokalyse
- Verlagsbeschreibung: In einem entvölkerten Amerika versucht eine Handvoll Überlebende die Zivilisation zu retten. Ihr Gegenspieler ist eine mythische Gestalt, die man den Dunklen Mann nennt, eine Verkörperung des absolut Bösen. In der Wüste Nevada kommt es zum Entscheidungskampf um das Schicksal der Menschheit.
- gelesen von David Nathan
- Ungekürzte Lesung
- Audiobook
- Spieldauer: 54 Std. & 9 Min.
- Sprache: Deutsch
- Verfügbar bei: Audible
- Audiobook Verlag: Lübbe Audio
Buchausgabe
- Seitenzahl: 1715 Seiten
- Buchverlag: Heyne
- UVP Buch: 19,95 €
- Sprache: Deutsch
- ISBN: 978-3-453-43818-7